Dienstag, 12. September 2017

Cool Ala-Kul

Nachdem wir den Kirgisischen Nationalfeiertag noch in Bishkek verbrachten, ging es per Shared Taxi nach Karakol im Osten. Shared Taxis bieten meist vom Busbahnhof aus Mitfahrgelegenheiten, was sich als Armutszeugnis für die öffentlichen Verkehrsmittel verstehen lässt (es gibt kaum Züge, bloss unbequeme und teilweise vollgestopfte Minibusse, die vielerorts halten). Shared Taxis werden vor allem von Leuten angeboten, die darauf angewiesen sind die Kosten zu teilen, daher haben die Autos generell zu viele Insassen und zu wenige Sicherheitsgurte, das Lenkrad auf der falschen Seite, den obligaten Sprung in der Windscheibe, und einen Fahrer der zu schnell fährt und kein Wort Englisch spricht. Der Fahrpreis ist dafür teilweise lächerlich tief, für die ca. 6 Stunden Fahrt bezahlten wir je 9 Franken.
                                                               
Karakol wirkt etwas verschlafen, bietet aber eine gute Basis für eine Reihe an Wanderungen. Unsere ging über drei Tage an den Ala-Kul See auf 3600m. Nach einem wirklich harten ersten Tag, an dem ich mir geschworen habe nie wieder mit einem so schweren Rucksack zu wandern, übernachteten wir im Zelt bei einem Camp auf etwa 2800m, wo einige Schichten Kleider und ein guter Schlafsack nötig waren, um dem Frieren zu entgehen. Am zweiten Tag schien der Rucksack leichter, und wir fanden das türkise See-Juwel, den dortigen Gipfel auf 3928m, eine schlichtweg fantastische Aussicht und eine Umgebung die den kirgisischen Marketing Slogan «Switzerland Of Asia» schon fast zum Kompliment für die Schweiz macht (Panorama, auf 2048p umschalten). Der Abstieg auf der anderen Seite war lang, wurde aber durch die heissen Quellen bei den Yurten in Altyn-Arashan versüsst. Der dritte Tag ging durch ein schier endloses Tal zurück Richtung Karakol. Wir staunten dabei einige Male nicht schlecht, was für scheinbar ungeeignete Fahrzeuge sich den brutal felsigen Weg hochkämpfen.

Zurück in Karakol nahmen wir die frühere Einladung vom ziemlich gut Englisch sprechenden Taxifahrer Vadim an, mit uns das beste Ashlyanfu (kalte Mischung aus Weizen- und dicken Glasnudeln, essigsaurer Sosse oder Suppe, Pepperoni, Tomaten, rotem Chili und Fleisch) der Stadt essen zu gehen. Kostenpunkt monströse 40 Rappen. Mir persönlich schmeckt Lagman Boso (Nudeln mit Pepperoni und gebratenem Fleisch) bisher am besten. Eine weitere Spezialität sind Manti, gedämpfte Teigtaschen mit (ja genau) Fleisch und Zwiebeln, wenn man Glück hat aber auch mal mit Kürbis. Während uns die Brühen mit Fleisch und Kartoffeln und Gemüse langsam etwas auf den Zeiger gehen, hatte ich ingesamt zu viel Respekt vor dem Essen hier. Mir schmeckt fettiges Fleisch gar nicht, aber dieses ist etwas weniger omnipräsent, dominierend und unumgänglich als ich befürchtet hatte. Ausserdem ist der Einfluss der Touristen inzwischen doch spürbar, wir wurden manchmal sogar vor dem Essen gefragt, ob wir Vegetarier seien. Überrascht wurde ich vom teilweise sehr guten Brot, hervorragender Konfitüre (die beste besteht aus Aprikosen die kleiner sind als eine Walnuss), und manchmal einer Art cremiger Butter (Kaymak), was zusammen ein Festessen sein kann und in den Yurten praktisch zu jeder Mahlzeit mit aufgetischt wird.

Ein weiteres Shared Taxi brachte uns zum Skazka (aka Fairytale) Canyon, einem Ort der mich unheimlich an den Bryce Canyon in Utah erinnerte. Etwas weniger gross und eindrücklich, aber ähnliche seltsame Farben und Gesteinsformationen, die ich damals als einzigartig vermutet hatte. Es wäre interessant zu wissen, welche äusseren Umstände zu dieser Landschaft führen, und wo es sie sonst noch auf der Welt gibt. Als wir dort waren drehte eine kirgisische Popsängerin in rosarotem Kleid gerade ein Video für ihren Song, in einer skurrilen Kombination mit der sowieso schon surrealen Umgebung.

In Bishkek hatte ich von jemandem gehört, dass Lastwagen in Kirgistan eigentlich immer anhalten für Autostopper, und so zögerte ich nicht, zurück auf der Hauptstrasse ankommend einen ächzenden rostblauen Kiestransporter zuzuwinken. Es folgte einer der lebendigsten und erfülltesten Momente dieser Reise bisher, was wohl schwerlich in Textform oder sonst irgendwie nachvollziehbar rüberzubringen ist. Zusammen mit den Rucksäcken ein rüttelndes Führerhaus gezwängt, gegen vorne kaum Sicht, den Motorengestank in der Nase, links der stille kaukasische wettergegerbte Fahrer, rechts das Ufer des riesigen Issyk-Kul See vorbeiziehend. Den Motor übertönend Musik, die nicht besser zu diesem Moment aus einer anderen Zeit hätte passen können. Unter anderem L’Ete Indien von Paul Mauriat (es lebe Shazaam!;), das Original stammt von Joe Dassin, ist unten abspielbar.

Wir gingen im ziemlich kalten, leicht salzigen und sehr klaren See baden, gegen Abend blieben wir im Dorf Bokonbayevo. Dort strömten an diesem Tag gerade zahlreiche Touristen zusammen, um am nächsten Tag dem Salburun beizuwohnen, einem Festival der kirgisischen Traditionen und Kultur. Wir hatten schon davon gehört, und liessen uns von der enthusiastischen Hostess schliesslich trotz gewisser Skepsis überzeugen, dass man dies nicht verpassen sollte. Die ästhetisch ansprechenden Vorführungen mit Adlern, Bogenschützen und Reitspielen zum Ende hin entschädigten grösstenteils für organisatorische Unfähigkeiten und einen harzig verpäteten Beginn, wirre Reden (auch von Sponsoren, einem katarischen Scheich und einem neuseeländischen Vertreter von USAID), eindeutig marketingorientierten Abläufen (gefilmt wurde vor allem das Publikum) und leicht fremdschämige Darbietungen. Die Rückfahrt war ein tragisch-komisches Sinnbild der Organisationsschwierigkeiten, mangels verfügbaren Taxis wurden wir zur Freude aller einheimischen Passanten mit anderen Touris in einem Viehtransporter zurückgekarrt.


Kroatisch-deutsche Vater und Sohn nahmen uns vom Hostel in Bokonbayeva fast bis Kochkor mit, von wo aus wir einen dreitägigen Horsetrek unternommen haben, davon bald mehr.

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