Samstag, 18. November 2017

Crystal Trees

Nach zwei Fähren und einem tollen selbstgebauten Holzhaushostel habe ich im Süden von Kyushu bald mal umgedreht, es hat aber noch gereicht für eine kleine Wanderung um einen Kratersee gegenüber vom aktiven und rauchenden Vulkan Mount Kirishima. Dieser ist 2011 letztmals ausgebrochen und es sind kilometerweit entfernt immer noch Spuren seiner Asche zu sehen. Danach ging es Richtung Onsen-Hauptstadt Beppu, mit der Vorfreude meine Japan-Adoptivfamilie dort wiederzufinden.

Onsen sind Bäder bei natürlichen heissen Quellen. Es gibt tausende hier, auf diesen auf vier tektonischen Platten balancierenden Inseln, fast immer findet man eines in der Nähe. Ihnen werden aufgrund ihrer Mineralhaltigkeit auch Heilkräfte zugeschrieben. Liest man vorgängig etwas zu Japan, klingen die Verhaltensregeln in Onsen recht kompliziert, bis hin zu einschüchternd. In Tat und Wahrheit sind sie einfach und schnell erklärt. Die einzige richtig wichtige Regel ist, dass die Quelle stets sauber zu halten ist. Wie fast überall in Japan lässt man die Schuhe im Eingang zurück. Entkleidet sich komplett, wäscht sich sehr gründlich bei den Stühlen/Duschen sitzend, lange Haare zusammenbinden, bevor man das heisse Wasser selbst betritt. Dort sollte man sich einigermassen würdevoll aufführen, also keine Plätteler vom Beckenrand. Wenn's zu heiss wird abkühlen, aufpassen beim schwindligen aufstehen. Ein paar mal wiederholen, am Ende wieder waschen. Leute mit Tattoos werden hin und wieder abgewiesen (war ursprünglich gegen die Yakuza gerichtet, die japanische Mafia - heute hat man den Eindruck, sie wissen den Grund selbst nicht so genau), aber mehrheitlich scheint das (zumindest für Ausländer) trotzdem zu gehen. Die meisten Onsen sind nach Geschlechtern getrennt.

Nach dem gefreuten Wiedersehen fanden wir heraus, dass wir uns schon wieder alle auf eine gemeinsame Richtung einigen und das endgültige Adieu noch etwas verschieben können, und nahmen die Fähre auf die Insel Shikoku, viertgrösste Japans nach Honshu, Hokkaido im Norden und Kyushu. Dort kamen wir in einem Love-Hotel unter, welche in Japan fast so häufig sind wie Onsen, und stundenweise gebucht werden können. Viele scheinen aber inzwischen den Touristenmarkt entdeckt zu haben, und inserieren auch auf den Hostel-Buchungsseiten. Sie können ein enorm gutes Preis-Leistungsverhältnis bieten, wenn man keine Probleme damit hat, an der Rezeption etwas verwirrt gemustert zu werden, andere Gäste verschämt vorbeihuschen zu sehen, im TV nicht jugendfreie Sender zu finden, und auf dem Bettstand einen Vibrator liegen zu haben. Falls ihr jetzt denkt, noch nie das davon gehört zu haben, seht euch mal euer Emoji-Set auf Whatsapp oder Facebook oder ähnlichem an...:).
Der Erfolg der Love-Hotels in Japan ist unter anderem in der beschränkten Privatsphäre traditioneller japanischer Häuser (Minka) begründet. Diese haben Zwischenwände und Schiebetüren aus Holz und Papier (Shoji), welche Licht und Feuchtigkeit, aber halt auch Kälte und Lärm durchlassen. Die Böden bestehen aus Tatami-Matten, welche aus Reisstroh gefertigt, in der Grösse genormt sind (1.62m2), und auch als Flächenmass verwendet werden (z.B. ein 6-Tatami-Raum). Tatami-Matten sind für mich beeindruckend, fühlen sich durch die dichte Flechtung zwar hart an aber sind dennoch elastisch. Man kann sogar direkt darauf liegen, aber für die Nacht wird dann doch ein Futon ausgerollt. Auch wenn sie Charme haben, abgesehen vom Tatami habe ich inzwischen so ziemlich genug von den traditionellen Häusern. Der aufziehende Winter macht sie oft frierend, die meisten Schiebetüren sind störrisch, und teilweise eingesetzte Glasfenster in den Türen sind ein einziger klirrender Konstruktionsfehler, der sich bei jedem draussen vorbeifahrenden Auto zitternd meldet.

Özlem, Aline und Clément gingen Richtung Tempel-Meditation, und ich erkundete mit JB noch weiter die Insel, die im Iya Valley inzwischen ebenfalls in herbstlichem Farbenfreudenfest leuchtete. Highlight davon war ganz klar die fast menschenleere Wanderung rauf auf Mount Miune (1893m), etwa 900 Höhenmeter meist durch inwischen grösstenteils entblätterten Wald, zuoberst ein tiefgefrorenes Wunderland aus Frost. In einer stupenden Umkehr des Gewohnten waren die Bäume und Sträucher weiss, der Boden aber noch nicht verschneit und in Farbe. Nur widerwillig, der sinkenden Sonne und der Kälte Tribut zollend, liessen wir diesen magischen Aussichtsort zurück. Absteigen mit voller Seele und Leonard Cohen in den Ohren, davonfahren im Sonnenuntergang.

Am nächsten Tag reichte es, um Aline und Özlem kurz vor ihrem Abflug von Osaka nach Thailand am Flughafen noch einmal zu überraschen - weil wir doch Abschiede so mögen ;). Aline und Clément hatten es besonders hart, waren nach einer verrückten Zeit in Japan noch enger verbunden.

Heute regnet es, morgen schneit es vielleicht sogar, und ich habe nur noch wenige Tage das Auto. Einen Flug nach Australien habe ich immer noch nicht, was mir die riesige Freiheit gegeben hat, diesen Besuch in Japan auszudehnen wie ich wollte. Ich hoffe Mount Fuji und in Tokyo noch einige Freunde zu sehen, danach freue ich mich aber auf die Wärme auf der Südhalbkugel. Nach ein paar organisatorisch intensiven Momenten hat Captain Dan an der Gold Coast inzwischen tatsächlich ein Auto für mich kaufen können, ich werde mit einem Mitsubishi Pajero unterwegs sein... Den letzten habe ich 2014 in der Nähe von Uluru abgefackelt, das muss ich aber nicht unbedingt wiederholen ;).

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen