Mittwoch, 23. Mai 2018

Royal

Weil der Blazer nicht im Rucksack Platz findet, war ich kleidermässig auf Hilfe angewiesen, um Sophie an die Beerdigung ihrer Grossmutter und an eine Hochzeit zu begleiten. Jacke und Hemd von ihrem Vater, Hose und Gürtel vom 60jährigen Nachbarn, Schuhe vom Freund einer Freundin... passt scho. Auf dem Weg zur Beerdigung begaben wir uns auf die Spuren unserer ersten Begegnung in Bellingen, was gleichzeitig schön und ein bisschen surreal war. Danach besuchten wir Nitya und Kailash, die mir jedes Mal ein bisschen mehr ans Herz wachsen. Die Hochzeit unweit von Mudgee war eine der schönsten, die ich bisher erlebt habe. Die Zeremonie fand inmitten eines Weinguts statt, unter prachtvollen Bäumen, bei perfektem Wetter. Braut und Bräutigam haben sich auf Tinder kennengelernt und gingen inspirierend damit um - vielleicht sind wir langsam über das Zeitalter hinaus, wo ein erster Kontakt über das Internet stigmatisiert und verschwiegen wird. Die Reden waren echt humorvoll und es blamierte sich keiner dabei, das Essen war super, und die tanzende Musik war geprägt von australischen Klassikern aus den 80ern und 90ern. Das Ganze kam mir ein bisschen vor wie im Film, wozu wahrscheinlich auch die englische Sprache beitrug. Einziger Wehrmutstropfen in Mudgee blieb das Bed&Breakfast, wo wir im fairy room (Feenraum) schlafen mussten, einer rosa Sardinenbüchse mit einem Bett weicher als alte Bananen. Einen roten Nagellackunfall auf den Bettlaken und eine Feenfigur mit gebrochenen Armen später waren auch die Gastgeber schlechter Laune.

Sonst gehen wir oft laufen, waren im empfehlenswerten Royal National Park (der zweitälteste Nationalpark der Welt nach Yellowstone) und an den Figure Eight Pools, in den Blue Mountains, und auf vielen anderen Küsten- und Buschspaziergängen. Sydney aus dieser Warte betrachtet ist eine komplett andere Stadt, als wenn man als Tourist vorwiegend im Zentrum oder in Glebe rumhängt. Die Natur ist beeindruckend, überall hat es Meeresarme, spannende Klippen und Strände, zwischen Manly und Shelly Beach lässt sich inmitten von Fischfarbigkeit bestens Schnorcheln. Nur der Verkehr ist hart zu ertragen. Beim Überqueren der Harbor Bridge (oder im Tunnel) fallen jedesmal Mautgebühren an. Das verrückteste daran ist, dass die 99km an Mautstrassen nicht dem Staat gehören, sondern privaten Firmen, die nun natürlich ständig die Maut erhöhen, um mehr Profit daraus zu schlagen. Öffentliche Verkehrsmittel sind ebenfalls teuer, und zu wenig gut ausgebaut, um eine gute Alternative zu sein. Die Idiotie der Privatisierung lässt sich auch in der Bildung gut beobachten. Private Schulen sind deutlich höher angesehen als die öffentlichen, kosten ein Vermögen (6'000-22'500 CHF pro Jahr), und können frei gewählt werden (was zum Verkehrsproblem beiträgt). Noch teurer sind die Universitäten, mit etwa 8'000-28'000 CHF pro Jahr. Viele Universitätsabgänger sind tief verschuldet, die Kinder reicher Eltern sind in diesem System deutlich bevorzugt. Eine soziale Katastrophe. Und es gibt immer noch Leute, die für einen schwachen Staat lobbieren, denken möglichst viel Privatisierung bringe Vorteile, und bloss Politiker wählen, welche versprechen die Steuern zu senken.

Ich habe mich weiter mit Bruce Pascoe's Buch beschäftigt, und habe einige seiner Quellen in Form von Entdecker-Tagebüchern hier nachgelesen, eine faszinierende Lektüre. Mein Fazit daraus ist, dass es nicht eindeutig ist, ob Aborigines Landwirtschaft betrieben haben oder nicht. Pascoe pickt ganz klar Rosinen, und interpretiert teilweise unausgewogen.

In der Zwischenzeit haben wir leider bauchwehende Nachrichten erhalten: Sophie's Antrag auf ein Studentenvisum ist in erster Instanz abgelehnt worden, vorwiegend weil ein obskurer Paragraph im Ausländergesetz besagt, dass an über 30jährige im Normalfall kein Visum zur Ausbildung erteilt wird. Wir sind in Kontakt mit den Behörden und hoffen immer noch auf einen positiven Bescheid.

Das ursprünglich gekaufte Auto an der Gold Coast sorgte auch weiterhin für Drama. Dan verschleppte komplett alles, und wir waren kurz davor ernsthafte Schwierigkeiten miteinander zu kriegen. Doch nun haben wir das Auto doch noch verkaufen können, was meinen finanziellen Verlust einigermassen in Grenzen hält, und dieses unsägliche Kapitel versöhnlich abschliesst.

Wenn ich nicht am rumreisen bin, fühlt es sich weniger an, als hätte ich viel zu erzählen, aber ein paar Fotos gibt es trotzdem, hier hinzugefügt und hier. Sicher ist der Aufenthalt in Sydney mit Sophie (der wie im Fluge vergeht), eine gnädige Art die Post Travel Depression abzufedern. Trotzdem freue ich mich inzwischen sehr aufs nach Hause kommen. Euch wiederzusehen, und die Berge, Aare, längere Tage, ... bis bald!

Sonntag, 1. April 2018

Stepping Stone

Der lange Weg um Australien ging am Ende schnell zu Ende. Schon auf dem Nullarbor fühlte es sich an, als wären wir nun auf dem Rückweg, wahrscheinlich weil keine grossen Sehnsuchtsdestinationen mehr vor uns lagen und wegen der östlichen Fahrtrichtung. Fotos wurden rar und nicht sehr inspiriert. Der Fahrtrhythmus wechselte von schnell zu schneller. Meinen Geburtstag verbrachten wir spannend an der weltmusikalischen und -kulinarischen WOMAdelaide. Die Grampians, eine niedrige Bergkette in der Nähe Melbournes, schienen uns hochgejubelt. Danach waren wir plötzlich kaum mehr als 1000km von Sydney entfernt, die Suche nach einem Platz für ein paar ruhige Tage blieb resultatfrei, und wir entschieden uns, stattdessen schon mal eine Woche in Sydney bei Sophie's Eltern zu verbringen, und dann noch einmal loszuziehen nach Bombala. Nach einem kurzen Umweg nach Melbourne, um Freunde von Sophie zu besuchen, kam so der bewegungsreiche Teil meiner Auszeit zu einem abrupten Ende, was mich etwas mit Nostalgie erfüllt.

Die grosse Runde um Australien streckte sich über 18'065 Kilometer, das ist ein wenig weiter als die Luftlinie Sydney-Bern. Der Hyundai Tuscon kostete mich für die knapp 3 Monate etwas über 2000.- in Miete, 1500.- in Benzin, und war mit seiner Zuverlässigkeit, Sparsamkeit und Geräumigkeit ein toller Weggefährte. Als ich ihn zurückbrachte, schloss sich auch der Kreis mit dem Hertz-Angestellten von Weihnachten letztes Jahr, er erinnerte sich noch gut daran - wahrscheinlich belagern die meisten Kunden das Büro nicht für Stunden, bis sie ein Auto kriegen, das ihnen genehm ist.

Kaum waren wir zurück, starb auf tragische Weise Sophies Grossmutter. In guter Gesundheit, mit etwas Beklemmung vor der anstehenden Reise nach Europa, erhielt sie vom Hausarzt Medikamente dagegen verschrieben, die zu tiefer Natriumkonzentration im Blut führte, worauf sie nicht viel trinken durfte, dadurch hatte sie einen Harnwegsinfekt der sich in die Nieren ausdehnte, Darmverstopfung, schliesslich Darmperforation, Sepsis, eine Operation war nicht erfolgreich, und das war's dann. Aus der Ferne betrachtet scheint diese Kette von Ereignissen so einfach zu durchbrechen. Natürlich kennen wir nicht alle Details, möglich dass sich schlussendlich ein anderes Bild ergibt. Trotzdem, wir haben schon von zwei fast identischen Geschichten gehört. Hart vor allem auch für ihre Kinder, die entscheiden mussten, wie lange sie an den lebenserhaltenden Massnahmen bleibt. Wie kann bloss ein Medikament verabreicht werden, das auch nur zu einem kleinen Prozentsatz solche Folgen nach sich ziehen kann? Anstatt die psychischen Beschwerden erstmal anderweitig zu behandeln, zu versuchen an der Wurzel anzusetzen statt bloss Symptome zu bekämpfen... frustrierend und unverständlich.

In Sydney versuchen wir etwas mehr Sport zu treiben, alles zu organisieren für Sophies Umzug in die Schweiz. Bisher habe ich ihren Vater und die jüngere Schwester Jocelyn getroffen, die ich beide sehr mag. Von der Uni Bern ist sie inzwischen für den Master in Ecology and Evolution zugelassen, und damit können wir nun versuchen das Studentenvisum zu kriegen. Was durch ein Schweizer Konsulat erschwert wird, bei dem man nicht anrufen darf, nicht vorbeigehen darf, und welches bloss (schlecht) über E-Mail kommuniziert. Die Bearbeitungszeit für das Studentenvisum beträgt kolossale 2-4 Monate, das heisst sie kommt anfangs Juni erstmal per Touristenvisum in die Schweiz, und kriegt das andere Visum dann hoffentlich nachgeliefert.

Gerade sind wir in Bombala am Wiedervereinigungstreffen von Sophies grossem Hike, 20 spannende Leute sind hier auf einem beeindruckenden Farmgrundstück. Darunter sind 4wd Fanatiker der Support-Crew, die schon rund um die Welt gefahren sind. Ich freue mich auf die Präsentation der Fotos und Videos heute Abend, trotz drohendem Ausufern.

Sonntag, 11. März 2018

Best Beaches Of The World

Schon wieder sind über drei Wochen vergangen seit dem letzten Eintrag. Wir werden zunehmend dekadent. Strände und Landschaften entlocken ein Schulterzucken oder ein müdes Lächeln, die zuvor noch mit offenem Mund und dutzenden Fotos quittiert worden sind. Bis dann doch wieder der superlative Moment folgt, das türkise Wunderwasser, der atemberaubende Ausblick, die farbenfrohe Explosion von Tier- und Pflanzenwelt, in denen ich untergehe und das Gefühl für die Zeit verliere. Zeit ist sowieso relativ: Nachdem ein halber Tag verfliegt mit Kleider waschen und einkaufen, fragen wir uns einmal mehr, wie die arbeitende Bevölkerung alles unter einen Hut kriegt. Ich bin erst seit sieben Monaten unterwegs. Oder schon seit sieben Monaten. Und morgen bin ich vierzig.

Wir bleiben ab und zu in Hotels oder Backpackers. Meist aber sind wir am Zelten, was inzwischen eine Routine ist, die sich keineswegs nach wenig Komfort anfühlt. Vor allem weil viele Zeltplätze bestens ausgerüstet sind, mit sauberen Duschen/WC, sowie brauchbaren Küchenunterständen inklusive Kühlschrank und Gaskocher. Unsere Nahrung besteht momentan grösstenteils aus Salaten und Wraps, die wir zusammensetzen aus Spinat, Rucola und anderen Salatblättern, Avocado, Thunfisch, Poulet, Karotten, Gurken, Tomaten, Parmesan, Salz, Pfeffer, Chiliflocken, Schnittlauch, einem selbstgemachten Dressing aus Tahin, Kurkuma, Ingwer und Wasser. Hinzu kommt abends oft in Butter gebratener (möglichst Schafs-)Halloumi. Damit habe ich mich (das wird nicht als Überraschung kommen) mehr Sophie's kulinarischen Gewohnheiten und Empfindungen angepasst als umgekehrt. Die Umstellung zu weniger Zucker und weniger prozessierten chemiehaltigen Food, mehr Früchten und frischen Produkten, fühlt sich bestens an. Das nicht ganz so gesunde Müesli zum Zmorge steht aber immer noch hoch im Kurs.

Der restliche Weg von Exmouth nach Perth verging im Flug, die unglaubliche Korallenwelt bei Coral Bay und der François Peron National Park mit seiner Farbkombination tiefrot-weiss-türkis und sprudelnder Meeresfauna waren einmal mehr die Highlights.
Der Südwesten mit seinen unbegreiflich weissen Stränden war angekündigt und kam doch unerwartet. Die Küstenlinie um Esperance, abgelegen und von nirgends wirklich gut erreichbar (die nächste grosse Stadt ist Perth über 700km entfernt) hat wohl die besten Strände der Welt vorzuweisen (wer hat eine andere Nomination?), aufgereiht an einer Perlenkette, nur wenige Menschen dort. Wolkenfreie und warme Tage erlaubten uns sogar noch einmal Maske und Schnorchel hervorzuholen, und in dieser paradiesischen Umgebung zu schwimmen, trotz dem schon deutlich kälteren Meer an der Südküste. Beim Ausstieg über bewachsene Felsen entfernte ich mithilfe einer Seepocke ein Stück meiner Handfläche, worauf ich mir gut vorstellen konnte dieses Stigmata und meinen Bart zu einer christlichen Sekte zu bewegen, in Erwartung einer Jüngerschaft.

Gerade sind wir auf dem beinahe 1700km langen Nullarbor unterwegs, eine relativ eintönige Strecke auf der sich kaum Siedlungen oder Läden befinden. Sophie hat eine schlimme Hüftverletzung, die nie ganz ausgeheilt ist. Das trübt den Spass manchmal ein bisschen, vor allem weil sich die Beschwerden durch langes Sitzen im Auto verschlimmern. Vor ein paar Tagen haben wir die Rückbank freigeräumt damit sie dort liegen kann, was bisher zu helfen scheint. Wir zielen auf ein Wiedervereinigungstreffen für ihre letztjährige 70tägige Wanderung (durch die westaustralische Wüste entlang dem Rabbit-Proof Fence), am 30. März in Bombala nahe der Ostküste, und sind deshalb schneller unterwegs, als wir das aus sonstigem Antrieb tun würden.




Freitag, 16. Februar 2018

West Coast Sunsets in Wet Season

Rückläufige Wasserspiegel erlaubten es mir schliesslich, das schon fast liebgewonnene Kaff Kununurra zu verlassen, und den Weg an die Westküste zu beenden. Dort kam ich in Broome zwei Tage vor Sophie an. Nach einem langen telefonüberbrückten Monat ist es herzerfreut, wieder ganz zusammen zu sein.

Zum dritten Mal bin ich nun von Broome hinunter Richtung Perth unterwegs. Gleich zu Beginn begegneten wir noch einigen sehr grossen Pfützen, die aber zum Glück alle durchquerbar waren, auch wenn man sich das Inlandmeer noch gut vorstellen konnte. Videos von Wakeboardern und nautischen Lastwagen kamen in den Sinn. Wir stoppen ungefähr an den gleichen Orten die mir schon vertraut sind, und trotzdem verschlägt es mir immer noch den Atem beim Betrachten dieser unglaublichen Schönheit der Natur, dieser sich ständig selbst übertrumpfenden Sonnenuntergänge, dieser unwirklichen geträumten Landschaften.
Der Cable Beach im allabendlichen Spektakel ist mitunter der farbenprächtigste Fleck Erde, den ich kenne. Am 80-Mile Beach kommen die Farben und Formen der zahllosen Muscheln hinzu, im Karijini National Park mit seinen postkartigen Wasserlöchern waren wir einen halben Morgen lang die einzigen Bewunderer und Schwimmer, und fuhren dann durch von Regenbogen gesäumte Hügel weiter. Ein Wehmutstropfen ist die riesige regeninduzierte Mückenplage, die einen lockeren Aufenthalt im Freien oft verunmöglicht, teilweise sogar durch den Tag.

Inzwischen sind wir bereits in Exmouth angekommen, wo endlich die Quallenzone aufhört, und wir am Ningaloo Reef schnorcheln gehen wollen. Mein Trommelfell stellt dafür kein Hindernis mehr dar, weil es sich beim Doktor glücklicherweise als bloss traumatisiert und nicht perforiert herausgestellt hat.

Einige Schwierigkeiten macht hingegen gerade meine Kamera, der Lichtsensor und der Sucher scheinen beschädigt. Mit Bildschirm anstatt Sucher kann ich aber noch Bilder machen. Das unheimliche daran ist, dass meine letzte Kamera vor 4 Jahren auch schon genau in Karijini kaputt ging (damals allerdings gänzlich). Ich ziehe ernsthaft in Betracht, dass mich das Baden im von den Aborigines als heilig betrachteten Fern Pool mit einem technologischen Fluch behaftet. Auslassen nächstes Mal, einfach um sicher zu gehen.

Mittwoch, 31. Januar 2018

Aboriginals: Agriculture

Just a few dozen kilometers off the East Coast in Northern Queensland, Australia changes dramatically. Gone the multi-lane roads, gone the heavy traffic, gone the sizeable townships everywhere. Civilization recedes while nature reclaims dominion. Driving for hours along the mostly deserted roads, so devoid of traffic you may find yourself, for every car going by, raising lazy fingers in greeting off the steering wheel. Birds, kangaroos, snakes, emus, lizards, toads, butterflies, frequent these roads much more than humans do, a constant hazard to them and sometimes the cars, with vulture birds often announcing the many victims of movement which is too fast. Between rain-forest and swamps, rolling lush grassland and farms, savannah with burned forests, plains, arid deserts with its red soil, the landscape changes while staying recognizably Australian. The wet season predominantly affects the coastal regions, but with its rainy fingers reaches far inland this time around. Floodways across roads add another obstacle to keep a tired driver alert, with car wrecks littering the sides as an ominous warning for those who don’t. Further west, hundreds of kilometers may lie between one roadhouse or village and the next. The wide open horizon allows glimpses of the weather far away, and watching a blue sky come closer for an hour under dark grey clouds is magical. Then the sun gets low, trees cast shadows across the road, white barks light up still glistening from the rain, before being eclipsed by a sunset that sets the clouds afire. Beautiful Australia.

Oft vom Wetter weitergescheucht blieb ich auf dem nördlichen Weg Richtung Westküste nie lange an einem Ort. Darwin, Kakadu und Lichfield National Park setzte ich trotz Dauerregen durch, weil ich mich nicht ein zweites Mal davon abhalten lassen wollte, das Top End Australiens zu sehen. Während die Parks nur teilweise offen sind und in der Trockenzeit ganz bestimmt mehr hergeben, und häufig Bäche über die Strasse fliessen (bis zu 30cm hoch), war der Anblick der überfluteten Ebene mit den Wäldern im Wasser den Umweg wert. Bisher habe ich nur ein Süsswasserkrokodil gesehen, der gefährlicheren Salzwasservariante bin ich nicht begegnet. 

Audiobooks haben inzwischen einen guten Teil der Musikzeit im Auto an sich gerissen, und ich habe unter anderem das Buch Dark Emu: Black Seeds von Bruce Pascoe gehört. Was für ein Bild habt ihr vom Leben der Aborigines vor der Annektion des Kontinents durch die Europäer? Ich war der Überzeugung, sie seien allesamt Jäger und Sammler gewesen, habe mein Bild wohl aus Filmen wie Quigley the Australian erhalten. Das scheint aber nicht einmal die halbe Wahrheit zu sein, wie aus zahlreichen Berichten der frühen europäischen Siedler hervorgeht und Pascoe in seinem Buch dokumentiert. Viele Aborigines lebten in grossen Siedlungen, betrieben Ackerbau und kultivierten das Land in fein abgestimmten Zyklen, bauten Bewässerungen, Steinhäuser, breite Wege und ausgeklügelte Fischfanganlagen, trugen genähte Kleider. Nun macht dieses Bild es wesentlich schwerer, die Invasion durch die Weissen als gnadenreichen Akt der Zivilisierung hinzustellen, deckt auf, wie stark die Aborigines vertrieben, dezimiert und ihre Kultur zerstört wurde. Weshalb dies bis heute nicht offen diskutiert wird, und ich vermute die meisten Australier haben keine Ahnung davon.
Ich habe keine Widerlegung von Pascoe's Darstellung gefunden, sondern bloss Auszeichnung für das Buch, und tendiere deshalb stark dazu, seine Zitate der frühen Aufzeichnungen als bare Münze zu nehmen. Im Kakadu National Park sprach ich im Aboriginal Culture Center mit einer Parkbeamtin, die das Buch kannte. Ich fragte sie, weshalb die gesamte Ausstellung keine Spur von Ackerbau zeigt. Zuerst meinte sie, die Aboriginal Elders würden auswählen, was sie teilten. Als ich meinte, das mache nun wirklich nicht allzu viel Sinn, passte sie ihre Erklärung an und meinte nur, der Park sei halt immer noch Teil des Staats, und damit politischen Richtlinien unterworfen. Unglaubliche Sache, und macht gehörig Respekt dafür, welcher Propaganda wir immer noch unterworfen sind, auch in der heutigen Zeit. Ich werde versuchen ein vollständigeres Bild zu erhalten, und auch möglichst viele Australier damit zu konfrontieren. 

Ein anderes Hörbuch erzählte ein paar Dreamtime Geschichten im Stil unserer Märchen, womit mir der Zugang zwar viel leichter fiel, aber wohl auch  nicht mehr viel Authentizität vorhanden war.

Noch habe ich trotz gefühlt fast ständigem Fahren nicht einmal die Hälfte des gesamten Wegs zurückgelegt, eine krasse aber auch schöne Vorstellung. Sophie kommt zum grossen Glück nach Broome und reist ab da mit. Das Wetter und Wasser auf der Strasse bleiben weiterhin ein Problem, im Moment sitze ich gerade im ziemlich kleinen Kaff Kununurra fest und warte darauf, dass die Strassen Richtung Broome wieder offen sind. Zuvor bin ich zum ersten Mal umgedreht, habe auf dem Weg Richtung Lake Argyle eine geflutete Stelle zu Fuss erkundet (auch zum ersten Mal) und dabei mitten drin tiefe Schlaglöcher gefunden, in die ich sonst wohl reingefahren wäre.


Mittwoch, 17. Januar 2018

Better Than Dreamtime

Die Dreamtime ist ein Ausdruck für den Ursprung aller Dinge im Glauben der Aborigines, eine Zeit in der Geisterwesen durch das Land reisten und wichtige Orte und heilige Stätten schufen. Ich habe bisher keinen wirklichen Zugang zu Dreamtime Geschichten gefunden. Sie handlen fast immer von einer gewalttätigen Untat, von Verwandlung in Tierform und Bestrafung für die Untat, und "erklären" damit eine Landschaft, eine Naturgegebenheit, ein Verhalten von Tieren. Und sind damit als theologische Basis für meinen Blick ziemlich einfach gestrickt. Es ist immer noch ein Ziel von mir, ein besseres Verständnis für die Dreamtime und ihre Geschichten zu kriegen, und schien dadurch, neben der offensichtlichen Anspielung auf eine traumhafte Zeit, ein passender Titel für diesen Blog.

Aber jetzt bin ich Sophie Gulliver auf ihren Reisen begegnet, und das ist ein ganz anderer Traum. Ich habe meinen Plan umgestellt, will zwar immer noch um Australien herum, tue dies aber in erhöhtem Tempo. Sie kommt fast sicher an die Westküste reisen mit mir, dann verbringe ich zwei Monate bei ihr in Sydney und lerne ihre Familie und Freunde kennen, lasse Afrika aus und wir kommen zusammen in die Schweiz, wo sie im September einen zusätzlichen Master beginnen will.

Ich denke, das könnte für den Einen oder Anderen überstürzt klingen. Doch ausser in kurzen Momenten der Unfassbarkeit haben wir beide eine riesige Klarheit, was ein wunderbares Geschenk ist, das mich fast wieder religiös werden lässt, zwecks Abnehmer der Dankbarkeit. Ich freue mich schon jetzt darauf, sie euch vorzustellen, und wer nicht warten mag, der darf mich gerne fragen für mehr Details.

Nach all den Verzögerungen, zuerst frustrierend und schlussendlich schicksalshaft wundervoll, fuhr ich schliesslich doch noch ein paar Tage mit Nitya die Ostküste rauf. Ihr Fuss, den sie kompliziert gebrochen und mehrfach operiert hat, wurde dabei auf kurzen bis mittleren Hikes (Highlights: Mary Cairncross Scenic Reserve, Kondalilla National Park, Noosa National Park, Fraser Island) immer wieder stark beansprucht, was aber die richtige Therapie zu sein scheint.

Am Ende der Noosa Wanderung hörten wir ein Didgeridoo, suchten nach der Quelle und sahen den Musiker mit einem älteren Aborigine in einem Steinkreis sitzen. Als er uns erblickte und rüberwinkte zögerte wir keinen Augenblick, uns dazu zu setzen. Der charismatische Aborigine wurde uns vom Didgeridoospieler ehrfurchtsvoll als bekannter Künstler vorgestellt, sein Name ist Charlie Chambers und er ist extrem junge 81. Er erzählte etwas zu Gebräuchen der umliegenden Stämme (z.B. zu was Teile eines erbeuteten Tieres verwendet werden), was mich ein bisschen an die Dreamtime Stories erinnerte. Auch insofern, als dass es mir zwar milde interessant vorkam, ich aber gleichzeitig nicht wirklich verstand, weshalb er uns dies erzählte. Nitya meinte später, das sei ihre Art, Kommunikation aufzubauen. Der Musiker erlaubte uns den Einblick, dass er und Charlie einander träfen weil sie beide eine harte Zeit durchlebten, und sie versuchten etwas weiterzugeben. Tatsächlich war es jedem Passanten anzusehen, wie die Energie der Szene eine starke Anziehungskraft ausübte, alle schauten, einige blieben in der Nähe stehen, ein weiterer Mann setzte sich hinzu. Ich wäre gerne länger geblieben, doch die zweieinhalbstündige anstehende Fahrt durch die einbrechende Nacht zum gebuchten Hostel liess uns verfrüht aufbrechen.

Auf Fraser Island, der grössten Sandinsel der Welt, nahmen wir das 4WD Taxi hin zum Waldcamp, schwammen im himmlischen Basin Lake (einer von über 100 Süsswasserseen), wo ich mir beim Runtertauchen das Trommelfell beschädigte - hoffe das heilt bald aus. Inzwischen ist Nitya wieder in Tyagarah und ich bin alleine unterwegs, unter anderem war ich auf einer überbevölkerten aber sonst recht sympathischen Segeltour auf den Whitsunday Islands, am spektakulär schneeweissen Whitehaven Beach.

Der umgekehrte Kulturschock nach Japan ist verdaut, mein gekauftes Auto bei Dan scheint repariert und dann verkauft zu werden, mein gemietetes Auto fährt gut und sparsam (5.5-8.0 l/100km je nach Fahrweise), ich entdecke für mich australisches Neuland, die Camping-Ausrüstung komplettiert sich langsam und lässt selbständiges Kochen zu, die schlimmste Ferienzeit über Weihnachten und Neujahr ist vorbei, das Wetter ist grösstenteils anständig und sehr warm, und selbst im Tropensturm scheint das Zelt zu halten. Ich bin happy, und wäre sogar begeistert, zöge es mich nicht so stark entgegen der Fahrtrichtung nach Sydney.

Samstag, 30. Dezember 2017

Oil Leaks

Erstmal Entschuldigung für die lange Funkpause. Die hatte ein bisschen damit zu tun, dass ich jeden Tag wieder einen neuen Plan hatte, der dann meistens nicht umgesetzt wurde, was einige Energie verbrauchte.

In Australien anzukommen war ziemlich schräg. Am Flughafen Gold Coast schienen alle Leute etwas rüde, laut und unzufrieden, und ich freute mich über jeden Japaner. Dieses Gefühl liess mich auch in der Folge kaum los. Natürlich war es schön Dan wiederzusehen, mit dem ich vor vier Jahren von Neukaledonien nach Australien segelte, und auf demselben Segelboot in der Marina schlafen zu können brachte noch mehr nostalgische Erinnerungen zurück. Gleichzeitig war ich dort aber auch inmitten einer Lebenseinstellung gelandet, die so gar nicht die meine ist. Fast jedes zweite Boot der Marina ist ein Partyboot, auf dem täglich mehrere Scharen von Leuten vollgeschminkt und hochgestylt rausfahren, und als Schatten ihrer selbst und torkelnd zurückkommen. Zerfall im alkoholinduzierten Zeitraffer.

Der Plan war, dass Dan ein Auto für mich kauft, damit ich schneller losfahren kann, weg von der Ostküste, hin zu weniger dicht besiedelten und für mich interessanteren Regionen. Dieser Plan ist spektakulär nach hinten losgegangen. Bereits bei der ersten Fahrt bemerkte ich eine Vibration durchs ganze Auto, dachte aber noch es liege vielleicht an der Strasse. Stellt sich heraus es ist das Getriebe, Kostenvoranschlag $3500, das Auto gekauft habe ich für $4500. Daneben hat es ein oder mehrere Öl-Lecks, die auch schon in der unabhängigen Inspektion aufgetaucht waren, und die der Autohändler angeblich reparieren liess. Ach ja, und manchmal funktioniert die Zündung nicht.

Der Autohändler wollte erstmal gar nichts wissen von nachbessern. Nachdem ich mich zum Konsumentenschutz informiert hatte und auch den Händler darüber aufklärte, bezeichnete uns dieser als weinende Babies, und drohte Dan mit übler Nachrede, willigte aber schlussendlich ein, das Auto zu untersuchen. Eine ganze verzögerte Woche später hatte er immer noch nicht zugegeben, dass das Auto zittert und leckt. Im nächsten Anruf setzte ich zusätzlichen Druck auf, worauf er mich als Idiot und Dick betitelte, und meinte er werde "noch viel mehr tun als mich bloss beschimpfen", bevor er aufhängte. Good cop Dan hatte etwas mehr Zugang, aber auch einen Tag später behauptete der Händler noch, sein Mechaniker finde nichts Aussergewöhnliches - für Alter und Kilometer sei das Auto in sehr gutem Zustand. Strategische Geduld endlich vorbei konnte ich das Mail schreiben, das ich schon lange schreiben wollte, und ihn über unsere nächsten Schritte informieren (formelle Beschwerde bei Fairtrading Department und einem Ziviltribunal), sowie mitteilen, dass wir all seine Drohungen und Beschimpfungen in den Telefongesprächen aufgezeichnet hatten. Weil wir ausserdem mit Video und Inspektionsreport ziemlich schlüssig belegen können, dass die Öl-Lecks vorhanden waren und das Auto damit nicht verkehrssicher war beim Verkauf, ist der Fall eigentlich klar. Trotz seiner Cholerik scheint er das verstanden zu haben, verzögert aber weiterhin (sein Mechaniker war krank und musste nach Hause), schlussendlich bis über die Weichnachtsferien hinaus, ins nächste Jahr hinein. Das war dann der Moment, als ich mich entschied nicht weiter auf das Auto zu bauen.

Gar kein Auto zu haben limitiert in Australien stark. Ein anderes Auto kaufen kostet nochmal viel Zeit, auch etwa 2 Wochen zum verkaufen am Ende, bringt mechanische Unsicherheiten, weniger Komfort, Betrieb kostet mehr. Dem gegenüber ist ein Auto zu mieten wohl am Ende trotzdem teurer, und mit vielen Beschränkungen verbunden - Abgabeort, Kilometer, wohin man fahren darf (einige Firmen verbieten einem tatsächlich nach Westaustralien oder ins Northern Territory zu fahren), und vor allem das elendige Verbot von ungeteeren Strassen. Trotzdem habe ich mich schliesslich für letzteres entschieden, bei einer Firma mit miesen Bewertungen (Firefly), dafür halbwegs bezahlbarem Preis (ca. $1000 pro Monat) und keinen Kilometerbeschränkungen. An Weihnachten flog ich nach Sydney, sie hatten erstmal trotz Buchung gar kein Auto für mich, dann nur welche die mir nicht passten. Nach 4 Stunden warten und verhandeln einigten wir uns dann auf einen fast brandneuen Hyundai Tuscon, was ich bisher nicht bereut habe. Der Trip wird damit anders als geplant, weniger frei, aber wohl etwas sicherer. Ich will zudem einmal ganz rumfahren - weil das Auto in Perth abzugeben den Preis in unanständige Höhen treibt - was gleichzeitig etwas viel fahren bedeutet, andererseits aber auch seinen besonderen Reiz hat.

Neben dem ganzen Autogestürm habe ich Nitya und Kailash besucht, die inzwischen im nahen Tyagarah bei Byron Bay wohnen, letztes Mal waren sie ja noch in Tasmanien. Ihr einfaches gemietetes Haus war nach der Party-Marina eine willkommene Zuflucht inmitten der Natur. An zweiten Abend kamen wir nach Hause und sahen wir innerhalb von einer Minute eine riesige Braunschlange vor dem Auto durchkriechen, ein Opossum den Baum hochklettern, eine grosse Spinne den Weg versperren, und gleich nachdem Nitya fragte "What's next?" ein unidentifiziertes Viech durch den Busch rasen. Here we go.

Kailash ist dreizehn und machte gerade die christliche Primary School zu Ende, ich ging zur Abschlussmesse, wo zu meinem grossen Erstaunen Harry James Angus auf einem Kirchenbank sass. Nun wird der wahrscheinlich niemandem ein Begriff sein, aber für mich ist es der Musiker, der mich mehr beeindruckt hat als jeder andere. Er spielt eine unglaubliche Trompete für die Band The Cat Empire, singt Lead Vocals, singt Scat, und dann taucht er bei einem Gitarrenfestival auf und spielt selbstkomponierte Songs mit Texten, die einem nicht so schnell wieder loslassen. Sein neustes Projekt verbindet griechische Mythologie mit Jazz und Gospelelementen, ich habe ein Muster davon im Musik-Player unten hinzugefügt.

Nitya lebte in Tasmanien in einer Common-Housing Community, und in der Byron Shire Region findet man jede Menge derartige alternative Gemeinschaften, und Orte für spirituelle Praktik. Sie geht regelmässig zum Kirtan, was im Wesentlichen aus wiederholtem Singen von Sanskrit Gottesnamen besteht, zu Musik und mit Vorsängern. Ich nahm das ganze etwas auf die Schippe, und wollte nicht unbedingt dabei sein, beim 9-stündigen Kirtan Jahreshöhepunkt, ging nur hin um die Wegbeschreibung abzuholen. Doch die Musik und die Energie in dem Raum mit etwa hundert Leuten war dann so fesselnd, dass ich die restlichen drei Stunden mit Freuden dort blieb und später auch noch zu einem zweiten Kirtan ging, der war etwas kleiner und weniger beeindruckend. Nitya und Kailash sangen in einem Laienchor Händel's Messias, danach gingen wir ihre Schwester Heather in einer dieser Gemeinschaften umgeben von Urwald besuchen, wo ihr Mann mit seiner Gitarre die beste menschliche Jukebox formte, die ich je gehört habe. Unfassbar, wie viele Liedtexte er sich merken kann, und die Melodien im Ohr direkt auf der Gitarre umsetzt. Viel Musik.