Erstmal Entschuldigung für die lange Funkpause. Die hatte ein bisschen damit zu tun, dass ich jeden Tag wieder einen neuen Plan hatte, der dann meistens nicht umgesetzt wurde, was einige Energie verbrauchte.
In
Australien anzukommen war ziemlich schräg. Am Flughafen Gold Coast schienen alle Leute etwas rüde, laut und unzufrieden, und ich freute mich über jeden Japaner. Dieses Gefühl liess mich auch in der Folge kaum los. Natürlich war es schön Dan wiederzusehen, mit dem ich vor vier Jahren von Neukaledonien nach Australien segelte, und auf demselben Segelboot in der Marina schlafen zu können brachte noch mehr nostalgische Erinnerungen zurück. Gleichzeitig war ich dort aber auch inmitten einer Lebenseinstellung gelandet, die so gar nicht die meine ist. Fast jedes zweite Boot der Marina ist ein Partyboot, auf dem täglich mehrere Scharen von Leuten vollgeschminkt und hochgestylt rausfahren, und als Schatten ihrer selbst und torkelnd zurückkommen. Zerfall im alkoholinduzierten Zeitraffer.
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Der Plan war, dass Dan ein Auto für mich kauft, damit ich schneller losfahren kann, weg von der Ostküste, hin zu weniger dicht besiedelten und für mich interessanteren Regionen. Dieser Plan ist spektakulär nach hinten losgegangen. Bereits bei der ersten Fahrt bemerkte ich eine Vibration durchs ganze Auto, dachte aber noch es liege vielleicht an der Strasse. Stellt sich heraus es ist das Getriebe, Kostenvoranschlag $3500, das Auto gekauft habe ich für $4500. Daneben hat es ein oder mehrere Öl-Lecks, die auch schon in der unabhängigen Inspektion aufgetaucht waren, und die der Autohändler angeblich reparieren liess. Ach ja, und manchmal funktioniert die Zündung nicht.
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Der Autohändler wollte erstmal gar nichts wissen von nachbessern. Nachdem ich mich zum Konsumentenschutz informiert hatte und auch den Händler darüber aufklärte, bezeichnete uns dieser als weinende Babies, und drohte Dan mit übler Nachrede, willigte aber schlussendlich ein, das Auto zu untersuchen. Eine ganze verzögerte Woche später hatte er immer noch nicht zugegeben, dass das Auto zittert und leckt. Im nächsten Anruf setzte ich zusätzlichen Druck auf, worauf er mich als Idiot und Dick betitelte, und meinte er werde "noch viel mehr tun als mich bloss beschimpfen", bevor er aufhängte. Good cop Dan hatte etwas mehr Zugang, aber auch einen Tag später behauptete der Händler noch, sein Mechaniker finde nichts Aussergewöhnliches - für Alter und Kilometer sei das Auto in sehr gutem Zustand. Strategische Geduld endlich vorbei konnte ich das Mail schreiben, das ich schon lange schreiben wollte, und ihn über unsere nächsten Schritte informieren (formelle Beschwerde bei Fairtrading Department und einem Ziviltribunal), sowie mitteilen, dass wir all seine Drohungen und Beschimpfungen in den Telefongesprächen aufgezeichnet hatten. Weil wir ausserdem mit Video und Inspektionsreport ziemlich schlüssig belegen können, dass die Öl-Lecks vorhanden waren und das Auto damit nicht verkehrssicher war beim Verkauf, ist der Fall eigentlich klar. Trotz seiner Cholerik scheint er das verstanden zu haben, verzögert aber weiterhin (sein Mechaniker war krank und musste nach Hause), schlussendlich bis über die Weichnachtsferien hinaus, ins nächste Jahr hinein. Das war dann der Moment, als ich mich entschied nicht weiter auf das Auto zu bauen.
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Gar kein Auto zu haben limitiert in Australien stark. Ein anderes Auto kaufen kostet nochmal viel Zeit, auch etwa 2 Wochen zum verkaufen am Ende, bringt mechanische Unsicherheiten, weniger Komfort, Betrieb kostet mehr. Dem gegenüber ist ein Auto zu mieten wohl am Ende trotzdem teurer, und mit vielen Beschränkungen verbunden - Abgabeort, Kilometer, wohin man fahren darf (einige Firmen verbieten einem tatsächlich nach Westaustralien oder ins Northern Territory zu fahren), und vor allem das elendige Verbot von ungeteeren Strassen. Trotzdem habe ich mich schliesslich für letzteres entschieden, bei einer Firma mit miesen Bewertungen (Firefly), dafür halbwegs bezahlbarem Preis (ca. $1000 pro Monat) und keinen Kilometerbeschränkungen. An Weihnachten flog ich nach Sydney, sie hatten erstmal trotz Buchung gar kein Auto für mich, dann nur welche die mir nicht passten. Nach 4 Stunden warten und verhandeln einigten wir uns dann auf einen fast brandneuen Hyundai Tuscon, was ich bisher nicht bereut habe. Der Trip wird damit anders als geplant, weniger frei, aber wohl etwas sicherer. Ich will zudem einmal ganz rumfahren - weil das Auto in Perth abzugeben den Preis in unanständige Höhen treibt - was gleichzeitig etwas viel fahren bedeutet, andererseits aber auch seinen besonderen Reiz hat.
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Neben dem ganzen Autogestürm habe ich Nitya und Kailash besucht, die inzwischen im nahen Tyagarah bei Byron Bay wohnen, letztes Mal waren sie ja noch in Tasmanien. Ihr einfaches gemietetes Haus war nach der Party-Marina eine willkommene Zuflucht inmitten der Natur. An zweiten Abend kamen wir nach Hause und sahen wir innerhalb von einer Minute eine riesige Braunschlange vor dem Auto durchkriechen, ein Opossum den Baum hochklettern, eine grosse Spinne den Weg versperren, und gleich nachdem Nitya fragte "What's next?" ein unidentifiziertes Viech durch den Busch rasen. Here we go.
Kailash ist dreizehn und machte gerade die christliche Primary School zu Ende, ich ging zur Abschlussmesse, wo zu meinem grossen Erstaunen
Harry James Angus auf einem Kirchenbank sass. Nun wird der wahrscheinlich niemandem ein Begriff sein, aber für mich ist es der Musiker, der mich mehr beeindruckt hat als jeder andere. Er spielt eine unglaubliche Trompete für die Band The Cat Empire, singt Lead Vocals, singt Scat, und dann taucht er bei einem Gitarrenfestival auf und spielt selbstkomponierte Songs mit Texten, die einem nicht so schnell wieder loslassen. Sein neustes Projekt verbindet griechische Mythologie mit Jazz und Gospelelementen, ich habe ein Muster davon im Musik-Player unten hinzugefügt.
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Nitya lebte in Tasmanien in einer Common-Housing Community, und in der Byron Shire Region findet man jede Menge derartige alternative Gemeinschaften, und Orte für spirituelle Praktik. Sie geht regelmässig zum Kirtan, was im Wesentlichen aus wiederholtem Singen von Sanskrit Gottesnamen besteht, zu Musik und mit Vorsängern. Ich nahm das ganze etwas auf die Schippe, und wollte nicht unbedingt dabei sein, beim 9-stündigen Kirtan Jahreshöhepunkt, ging nur hin um die Wegbeschreibung abzuholen. Doch die Musik und die Energie in dem Raum mit etwa hundert Leuten war dann so fesselnd, dass ich die restlichen drei Stunden mit Freuden dort blieb und später auch noch zu einem zweiten Kirtan ging, der war etwas kleiner und weniger beeindruckend. Nitya und Kailash sangen in einem Laienchor Händel's Messias, danach gingen wir ihre Schwester Heather in einer dieser Gemeinschaften umgeben von Urwald besuchen, wo ihr Mann mit seiner Gitarre die beste menschliche Jukebox formte, die ich je gehört habe. Unfassbar, wie viele Liedtexte er sich merken kann, und die Melodien im Ohr direkt auf der Gitarre umsetzt. Viel Musik.